Ursprung und heutige Verwendung
Das Wort „Schamane“ hörten europäische Ethnologen bei ihren Reisen in den Kulturraum Sibirien wiederholt im Zusammenhang mit Menschen, die sich in einem Trancezustand befanden. Sie gehörten unter anderem zu den alten Völkern der Tungusen, Burjaten, Altaiern und Teilen der Sámi-Tradition Lapplands. Das Wort „saman“ wird übersetzt mit „Jemand, der in der Dunkelheit sieht“, „das Wissen hat“ oder auch „sich ekstatisch verhält“.
Im Laufe der Zeit ist diese Bezeichnung irrtümlich auf alle so arbeitenden Menschen übertragen worden und heute zu einer Art Sammelbezeichnung geworden für sämtliche traditionellen Weltbilder, Heilkundige, Medizinfrauen und -männer, die mit veränderten Bewusstseinszuständen arbeiten, bewusst hervorgerufen durch Pflanzenextrakte, Musik, Tanz und/ oder Gesang.
Ngangkari statt „australische Schamanin“
Korrekterweise müssten wir statt beispielsweise tibetische, südkoreanische, südamerikanische oder australische Schamanin oder Schamane von der „Bön“-Tradition Tibets sprechen, die Schamaninnen der KUT-Tradition Südkoreas „Mudang“ nennen, im oberen Amazonasgebiet werden sie vom Stamm der Shipibos „Muraya“ genannt, im süd- und zentralamerikanischen Raum heißen sie unter anderem „Curandera/-o“ oder „Ayahuascera/-o“, in Australien heißen die Heilerinnen und Heiler der uralten, traditionellen Aboriginal-Medizin Ngangkari und im Altai gibt es auch die verbreitete Bezeichnung der SchamanInnen als „Kham“.
Kulturelle Vielfalt
Wenn wir bedenken, dass es etwa 6.000 zeitgenössische indigene Völker in fast allen Regionen der Erde gibt, dann ist das eine ziemlich grobe Verallgemeinerung dieser unglaublichen kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Einmal mehr, weil die individuelle Ausprägung immer auch mit dem Ort und dem Land, – nicht dem nationalen oder geographischen, sondern dem Boden, auf dem sie leben –, und der umgebenden Natur zu tun hat. Das wiederum fließt in die Sprache ein, die anders als unsere beschreibende Sprache auch die Beziehung der Dinge zueinander beinhaltet.
Insofern ist die Bezeichnung „Schamanismus“ oder „Schamanin/ Schamane“ zwar in unserem Hang nach Kategorisierung für uns einfacher und wir verbinden mittlerweile schnell bestimmte Bilder damit, aber je nachdem in welchem Zusammenhang wir es verwenden, sagt es nichts aus über die individuellen Einbettungen, die über die originalen Bezeichnungen ausgedrückt werden und die (Heil-) Traditionen, gesellschaftliche Positionen und Aufgaben, Wissens- und Erkenntnisstand und den Bezug zu dem Ort, der Umgebung, den Flüssen, Bergen und Pflanzen umfassen.