Man sagte dem kleinen Jungen „Das ist eine Pusteblume“, als er, kaum laufend, verzaubert lächelnd vor ihr saß und einzig ein zartes Etwas wahrnahm, das gemeinsam mit dem Wind tanzende Wesen schuf. Er war glücklich.
Später lernte er: „‘Pusteblume’ ist eine Bezeichnung für Korbblütler nach Ausbildung der Flugsamen mit kugelähnlichem Fruchtstand“, doch da wusste er noch, dass sie viel mehr war.
Dann verblasste die Erinnerung und nur, wenn er mit seinem Crossrad auf den Hügeln im Wald unterwegs war und die Zeit der Pusteblumen war und sich einige der zarten Schirmchen in seiner Jacke verfingen, ahnte er, dass sie etwas waren, zu denen er einen Bezug hatte, – so behutsam, wie er sie entfernte.
Als er 12 war und seine kleine Schwester die Pusteblume entdeckte und ganz verzaubert war, erklärte er ihr, ein wenig stolz, so als großer Bruder: „Das ist eine Pusteblume, sie gehört zur Kategorie der Korbblütler und bildet Flugsamen aus mit kugelähnlichem Fruchtstand.“ Sie schaute ihn an, dann folgten ihre Augen weiter den kleinen Schirmchen und sie lächelte glücklich.
Irgendwann während seiner Ausbildung starb die Pusteblume in seinem Herzen.
Als er mit 24 Vater wurde und sein Kind betrachtete, wie es entstand und wuchs, – und er war ein guter Vater – brachte er ihm schwimmen bei, ging mit ihm zum Fußballspielen, übte Mathe mit ihm, reparierte sein Fahrrad und las ihm Gute-Nacht-Geschichten vor, doch es gab keine Zeit, um einen Raum entstehen zu lassen, in dem zarte Wesen wiederbelebt werden konnten.
Als er 70 war und seine kleine Enkelin das erste Mal vor einer Pusteblume saß, kaum laufend und ihn verzaubert lächelnd anschaute, während sie auf die zarten Wesen zeigte, die sich gemeinsam mit dem Wind von der Pflanze lösten und ihren Tanz in der Luft begannen, schaute er sie voller Liebe an, das Wunder bezeugend und dankbar für die Erinnerung und die Erkenntnis, dass es nie wichtig war, ihren botanischen Namen zu kennen.