Allgemein Konsum, Kolonialismus, Klima

Gesteigerte Rohstoffbedürfnisse, Kupferbergbau und staatliche Gewaltexzesse

Ein sprudelnder, gesunder Wasserfall mitten im Grünen

Bundesregierung sieht keine Zusammenhänge bei Protesten in Peru

Kupfer ist ein unverzichtbarer Rohstoff – für die Energiewende ebenso wie in unserem Alltag. Mit seiner herausragenden elektrischen Leitfähigkeit ist er maßgeblicher Bestandteil bei der Erzeugung, dem Transport und der Speicherung von Strom. Er findet sich in der Kaffeemaschine, dem Akkubohrer und der Klimaanlage genauso wie in der Bordelektronik von Autos oder in der E-Mobilität, Windkraftanlagen und Wärmepumpen. 20 bis 30 Tonnen Kupfer braucht es in einer großen Windturbine für Motor, Gehäuse und Kabel, ein einziges E-Auto braucht 50 bis 90 Kilogramm.

Bergbau ist ein Hochrisikosektor – Kupfer besonders

Die Kehrseite ist, dass der Abbau von Kupfer mit gravierenden Umweltverschmutzungen und Menschenrechtsverletzungen einhergeht. Dazu gehören mit Schwermetallen verschmutztes Wasser durch die riesigen Mengen an belasteten Reststoffen sowie das Missachten von Land- und Mitbestimmungsrechten der lokalen und meist indigenen Bevölkerung. In der Folge kommt es zu sozialen und ökologischen Konflikten statt der versprochenen Verbesserungen der Lebensbedingungen.

Deutschland weltweit drittgrößter Abnehmer von Kupferkonzentrat

Hauptabbauländer sind weltweit an erster Stelle Chile und mit großem Abstand an zweiter Stelle Peru. Von den Minen und Bergbaufirmen in Peru bezieht auch Deutschland sein Raffinadekupfer: in den Jahren 2013 bis 2022 machte es zwischen 17 und 29 Prozent der deutschen Gesamtimporte an Kupferkonzentrat aus. Sie laufen vor allem über den Hamburger Kupferkonzern Aurubis, der bis heute trotz Lieferkettengesetz und zahlreichen Aufforderungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie den Kritischen Aktionären seine Zulieferer und die dazugehörigen Minen nicht benennt. Das macht ein Verfolgen von Menschenrechts- und Umweltverletzungen unmöglich und verwehrt Betroffenen vor Ort die Möglichkeit, dagegen anzugehen.1

Proteste in Bergbauland Peru werden brutal unterdrückt

Zugleich befindet sich das Land Peru mit dem bisher juristisch noch ungeklärten Absetzen des Präsidenten Pedro Castillo am 7. Dezember 2022 seitdem mit landesweiten Protestwellen in einem Ausnahmezustand: Castillo war überwiegend von der indigenen Bevölkerung gewählt worden, die in ihn oder besser in die Tatsache, dass mit ihm ein indigener Präsident gewählt wurde, die große Hoffnung gesetzt hatten, dass sich ihre äußerst prekären Lebensbedingungen und die schlechte medizinische Versorgung verbessern. Dazu gehörte auch die im Vorfeld seiner Amtszeit angekündigte Überprüfung der Verträge über Bergbaukonzessionen, von denen einige Verlängerungen in seine Amtszeit fielen sowie eine verfassungsgebende Versammlung. Beides hängt eng zusammen, denn die aktuelle Verfassung von 1993 stammt aus der Fujimori-Diktatur und vereinfacht seitdem für ausländische Unternehmen unter anderem die Rohstoff-Ausbeutung des Landes, unter deren Folgen insbesondere die indigene Landbevölkerung zu leiden hat. Zwischen der Land- und vor allem der Bevölkerung in der Hauptstadt Lima besteht auch heute noch eine immense gesellschaftliche, rassistisch geprägte Hierarchie. Das spiegelt auch das von äußerster Brutalität geprägte Vorgehen der aktuellen Übergangsregierung unter Dina Boluarte gegen die Demonstrationen der peruanischen Bevölkerung, die zunächst Neuwahlen und den Rücktritt von ihr und dem Kongress forderten: fast 80 meist junge und meist indigene Menschen starben, überwiegend erschossen durch staatliche Sicherheitskräfte. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission, Amnesty International und die peruanische Menschenrechtskommission Coordinadora Nacional de Derechos Humanos, die viele der Todesfälle untersuchte und dokumentierte, sprachen in ihren Abschlussberichten von teils gezielten außergerichtlichen Hinrichtungen und rassistisch motivierter Gewaltanwendung.

Bis heute hat die deutsche Bundesregierung dieses Vorgehen nicht offiziell verurteilt. Im Gegenteil – immer noch wird auf den Seiten der Bundesregierung die gute wirtschaftliche und kulturelle Beziehung zwischen beiden Ländern betont und von Unterstützung bei dem Aufbau stabiler demokratischer Strukturen gesprochen; der „guten Regierungsführung“ wird sogar ein eigener Punkt eingeräumt.2 Zugleich werden wirtschaftliche (Rohstoff-) Beziehungen aktiv gefördert, wie es unter anderem die sehr persönliche Einladung und Begrüßung des peruanischen Bergbauministers Óscar Vera zur diesjährigen Berliner Energiewende-Veranstaltung BETD belegt.3

Anfrage der Linken zu Menschenrechtsverletzungen in Peru

In diesem hochproblematischen Kontext von Rohstoffinteressen, Menschenrechtsverletzungen und politischer Repression ist eine Kleine Anfrage der Linken vom 23. Mai 2023 zu verstehen zu dem Themenkomplex „Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit Kupferförderung in Peru“4: Es geht um eine deutliche Zunahme der Protestaktionen im Zusammenhang mit dem Bergbau seit 2003, unangemessener Gewalt bei dortigen Polizeieinsätzen, auch Todesopfern. Weiter zieht sich die Verbindung bis zu der Präsidentschaft von Pedro Castillo, während dessen Regierungszeit „verschiedene Maßnahmen zur Regulierung des Bergbaus sowie zum Schutz der lokalen Bevölkerung vorbereitet bzw. initiiert worden [waren], darunter eine von Unternehmern kritisierte Einschränkung des Einsatzes externer Arbeitnehmer.“ Zudem forderte die zeitweilige Premierministerin Mirtha Vásquez „die Neuformulierung der gesamten Bergbaugesetzgebung“. Bezogen auf das Vorhaben der verfassungsgebenden Versammlung vermutete die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse, „dies könne „schwere Folgen für internationale Investoren, insbesondere im Bergbausektor“ haben.

Bundesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen Bergbau und aktuellen Protesten

Dennoch verneinte die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 21. Juni 2023 einen Zusammenhang zwischen den aktuellen Protesten auf die Absetzung von Castillo, die in der Region Puno im Süden des Landes begannen – einer Region, deren Bevölkerung besonders unter den Auswirkungen des Bergbaus zu leiden hat –, und dem Bergbausektor, der stets mit Umweltzerstörung und den oben geschilderten sozialen Konflikten einhergeht: „Die Zunahme der Proteste Ende 2022 hat ihren Ursprung im vereitelten Staatsstreich des ehemaligen Präsidenten Castillo und der sich danach entwickelnden politischen Lage. Die Herstellung eines unmittelbaren kausalen Zusammenhangs zwischen den gewaltsamen Protesten vom Dezember 2022 und Januar 2023 und dem Bergbausektor ist daher verfehlt. Für die Konflikte gibt es eine Vielzahl von sozialen und politischen Faktoren5.“6

Man muss das Rohstoff-Auge schon sehr zuhalten und seine persönliche Argumentation dahingehend anpassen, wenn man diesen Zusammenhang nicht erkennen will und sich hinter Formulierungen wie „unmittelbarer kausaler Zusammenhang“ versteckt. Oder aber sehr weit weg von der Realität leben. Bei den gehäuften (Rohstoff-) Reisen deutscher Minister*innen nach Lateinamerika dieses Jahr hätte Außenministerin Annalena Baerbock im Juni eine Chance auf Realitätsabgleich gehabt, als sie von der kolumbianischen, indigenen Umweltaktivistin Jakeline Romero nach El Cerrejón eingeladen wurde, sich die verheerenden Auswirkungen des größten Steinkohletagebaus Lateinamerikas, auch durch den seit 2021 mehr als verdoppelten deutschen Steinkohleimport, vor Ort anzugucken, worauf Baerbock jedoch nicht reagierte.

Aber selbst wenn die Bundesregierung nicht die Haltung zeigt, Menschenrechte über Rohstoffinteressen zu stellen – die Protestierenden vor Ort in Peru oder den vielen anderen Orten in Lateinamerika, Afrika, Asien, Nordeuropa, Australien, tun es. Sie erleben täglich, was es heißt, wenn indigene Landrechte, Mitbestimmungsrechte, Umweltschutzauflagen, Arbeitsbedingungen umgangen werden und Wasser abgegraben wird, die Böden verkarsten, Flüsse vergiftet werden, Frauen und Männer, die sich engagieren, ermordet werden.

Bergbau ist politisch

Bergbau wie Essen wie Wasserzugänge sind zutiefst politisch. Wie sollte es anders sein. Oder wir müssten neu darüber sprechen, was Politik ist. Wenn Fürsorge für die Bevölkerung, Versorgung mit Nahrung, sauberes Wasser, Wärme, Schutz, medizinische Versorgung, Bildung nicht gegeben sind, fordert man es ein. Wenn die Gründe, weshalb es nicht gegeben ist, eine schlechte Infrastruktur ist, Umweltschäden infolge von Bergbauaktivitäten ausländischer Investoren, die durch eine lapidare Verfassung ermöglicht werden und Vernachlässigung und struktureller wie historischer Rassismus dazukommen, dann weist man darauf hin und geht deshalb auf die Straße.

Eine solche Vernachlässigung ist deshalb auch, wenn Deutschland als ein von fremden Rohstoffvorkommen profitierendes Land nicht auch die Verantwortung mit einhergehen lässt, für einen fairen und rücksichtsvollen Abbau vor Ort einzutreten – unabhängig davon, ob das die entsprechende Regierung fordert oder Konzessionen ohne Auflagen angeboten werden. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein als Demokratie. Es sollte auch eine Selbstverständlichkeit sein, weil Deutschland 2021 die ILO-Konvention 169 unterschrieben hat, das einzig wirksame Gesetz zum Schutz indigener Menschen.7 Wenn es nicht nur auf dem Papier sein soll, geht es auch darum, jetzt statt der von Boluarte und dem peruanischen Kongress propagierten und für Diktaturen typischen Lawfare-Strategie zu folgen8, vielmehr zu differenzieren und die Protestierenden, die bis auf wenige Ausnahmen gewaltfrei für vorgezogene Wahlen, eine verfassungsgebende Versammlung und juristische Gerechtigkeit für die getöteten Angehörigen auf die Straße gehen und ihr Leben riskieren, in ihrem mutigen Tun mit einer eindeutigen Fürsprache zu unterstützen und ihnen Respekt zu erweisen.

Einzelne Abgeordnete von SPD, Linken und Grünen haben das gemacht, die Bundesregierung nicht. Sie rollte im Oktober den roten Teppich für Dina Boluarte aus.

Zusammenhänge anzuerkennen ist notwendige Basis für echte Veränderungen

Seit dem Absetzen von Pedro Castillo ist zu der politischen Situation in Peru auf den Seiten der Bundesregierung zu lesen, dass die „Hoffnungen nun auf Dina Boluarte ruhen“, einer Frau, gegen die ebenso wie gegen weitere Angehörige der Regierung seit Januar 2023 wegen Völkermordes ermittelt wird. Dieser Unwille, eine klare Position gegen (rassistische) Menschenrechtsverletzungen durch Staatsgewalt und für demokratische Werte einzunehmen sowie das Zurückweisen eines Zusammenhangs der Proteste mit den Auswirkungen des Bergbaus und damit ihr Reduzieren auf einen Unmut über das Absetzen einer einzelnen Person, die von den westlichen Industrieländern vor allem als „links“ und mögliche Gefahr für den Bergbausektor wahrgenommen wird9 und das auf der Lateinamerikareise Baerbocks gezeigte Desinteresse an den Folgen des (Steinkohle-)Bergbaus geht in jeder Hinsicht an einer grundsätzlichen, wertfreien Humanität und der Tatsache einer in Beziehung stehenden Welt vorbei.

In einem größeren Kontext allerdings ist es absolut richtig und an der Zeit, sich mit ganzer Aufmerksamkeit nach Lateinamerika auszurichten: nicht um erneut auszubeuten und Verantwortlichkeiten zurückzuweisen, sondern um – wie von der kolumbianischen Aktivistin Jakeline Romero angeboten – die Chance auf einen direkten und echten Dialog mit indigenen Akteuren wahrzunehmen. Auch hierbei geht es um Zusammenhänge und Anerkennung, zum Beispiel, dass indigene Völker keine Randerscheinung vergangener Zeiten sind, sondern zeitgenössische Gesellschaften, die bereits vor den Staaten da waren. Das jahrtausendealte, umfangreiche Wissen und ihre Erfahrung können möglicherweise andere Wege eröffnen, um einseitiges und nur auf eigene Vorteile bedachtes Handeln zu überwinden; und zu begreifen, dass nur eben dieses ehrliche Anerkennen von Zusammenhängen und Zusammenarbeiten mit allen Beteiligten jenseits der Hierarchien und staatlich begründeter Konzepte einen Weg eröffnen kann für das Wiederherstellen eines sozialen und ökologischen Gleichgewichts, der über den uns bekannten technologischen hinausgeht und eine Veränderung anstößt, die allen zugute kommt.

1 Von Oktober 2023 bis Anfang Februar 2024 läuft von zwölf Organisationen, darunter FacingFinance, Bankwatch, Goliathwatch, CI Romero und CooperAcción, ein „Call-to-action“, um Investoren und Banken von Aurubis aufzufordern, Druck auf Aurubis auszuüben, um mögliche Menschenrechtsverletzungen und ökologische Vergehen aufzudecken und abzustellen. Hier sind weitere Informationen und Belege sowie die Möglichkeit, die Aktion mit einer Unterschrift zu unterstützen: https://www.facing-finance.org/2023/09/deutsche-kupferimporte-verletzen-menschenrechte-in-peru/

2 https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/peru-node/bilateral/211944; https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/peru-node/peru/211936?openAccordionId=item-211948-1-panel&view; https://www.bmz.de/de/laender/peru/kernthema-frieden-und-gesellschaftlicher-zusammenhalt–13886

3 https://in.linkedin.com/posts/berlin-energy-transition-dialogue_peru-betd23-jointhedialogue-activity-7034900427074621440-SdFc

4 https://dserver.bundestag.de/btd/20/073/2007364.pdf

5 Wobei unklar ist, welche Konflikte gemeint sind, die im Rahmen der Proteste oder des Bergbausektors.

6 https://dserver.bundestag.de/btd/20/073/2007364.pdf

7 2021 öffentlich verkündet von Arbeitsminister Hubertus Heil, der Außenministerin Annalena Baerbock auf der Reise nach Kolumbien begleitete.

8 Ein Vorgehen zur gezielten Kriminalisierung von Protesten, um damit u.a. das Verhängen von Ausnahmezuständen und übermäßige Staatsgewalt zu rechtfertigen.

In Peru behauptete Boluarte mehrfach, dass „die Proteste von einer radikalen und gewalttätigen Minderheit gesteuert worden seien, die die Mehrheit manipuliere“ (https://www.prensa-latina.cu/2023/02/24/presidenta-se-abstiene-de-hablar-de-muertes-de-manifestantes-en-peru). Solche Aussagen sollen die Angst in der Bevölkerung schüren, indem Bezüge zu der Terrororganisation des Leuchtenden Pfades hergestellt werden, die in den 80er und 90er Jahren für tausende Morde, vorwiegend an der indigenen Bevölkerung, verantwortlich waren, und letztlich ein Ausweiten der Kritik gegen die Regierung zu unterbinden.

9 https://www.handelsblatt.com/politik/international/pedro-castillo-ein-linkspopulist-fuehrt-jetzt-peru-was-bedeutet-das-fuer-die-bergbaukonzerne/27456870.html