„Für das Erwachen des Herzens sind die Bedingungen immer gut genug.“
Jack Kornfield, Weisheit des mittleren Weges
Begegnung mit uns selbst
Meditation, – die innere Einkehr –, ist der direkteste und einfachste Weg, in unserem hektischen und mit vielen oft vermeintlich wichtigen Dingen gefüllten Alltag zur Ruhe zu kommen und einen tieferen Zugang zu unserem eigentlichen Wesen zu entwickeln. Es geht darum, uns unsere gewohnte Ausrichtung auf das materielle und unbeständige Äußere und das ihm innewohnende Leiden bewusst zu machen und unseren Halt, unsere Kraft und Verortung wieder im Inneren zu finden, um dann, gestärkt und unbestechlich im Herzen, wieder in die Gesellschaft einzutauchen. Natürlich müssen wir deswegen nicht jahrelang in die Einsamkeit gehen, aber das ist zusammengefasst die Bewegung: vom Außen in das Innere und wieder nach außen. Wenn ich das weiß, ergeben sich plötzlich viele Gelegenheiten zum Üben ; )
Die Praxis der Meditation – und entsprechende Informationen und Unterrichtungen – findet sich in allen alten Kulturen und den Religionen. Zugleich ist sie losgelöst davon und geht darüber hinaus, denn letztlich sitzen wir alleine in diesem besonderen Zwiegespräch mit uns selbst. Während wir uns im Gebet aktiv und mit einer konkreten Bitte oder Absicht an das Göttliche wenden, die Einheit oder welche Worte wir gewohnt sind, für etwas, was nicht mit Worten zu beschreiben ist, zu verwenden, lauschen wir in der Meditation und nehmen eine empfängliche, offene Haltung ein, schaffen Raum.
Neugierig, entspannt und ohne Erwartungen
Was wir einzig brauchen ich die Bereitschaft, uns hinzusetzen und eine entspannte Neugier oder Wachheit ohne Erwartungen, um das, was wir wahrnehmen, neutral beobachten und untersuchen zu können. Auch eine regelmäßige Praxis ist sinnvoll. Das muss nicht lange sein. Wichtiger als die Dauer der einzelnen Meditation ist die innere Haltung und das Maß der Ausrichtung, mit der wir meditieren.
Während der Meditation beobachten wir anfangs einfach, wie unsere Gedanken kommen und gehen, ohne ihnen anzuhaften und zu folgen.
Mit der Zeit erkennen wir den grundsätzlich unbeständigen Charakter von Gedanken und den aus ihnen entstehenden Gefühle. So verstehen wir immer besser, wie unser Geist agiert, weshalb uns Manches aus der Mitte bringt und wie wir wieder zurückfinden.
Meditation und Alltag ergänzen sich
Diese Erkenntnisse fließen in unser tägliches Leben ein, in unsere Art zu denken und zu handeln. Indem sich unsere Perspektive erweitert und mehr vom ganzen Bild erkennen lässt, wir Zusammenhänge verstehen und das Zusammenspiel der einzelnen Teile, wächst unser Mitgefühl und unser Wille und Mut, gut miteinander leben zu wollen.
Meditation ist also nichts Lebensfremdes, sondern gibt uns im Gegenteil die Gelegenheit, den Teil in uns zu entdecken, ihn zu schulen und ihm Ausdruck zu verleihen, der in unseren aktuellen Gesellschaftsformen wenig Raum bekommt. Mit fortschreitender Praxis entsteht eine fließende und natürliche Wellenbewegung: Das eine nehmen wir mit in die Meditation und beleuchten es durch unsere Aufmerksamkeit. Die daraus gewonnene Erkenntnis fließt in das Alltagsleben ein und stärkt unsere Präsenz, Güte und Lebendigkeit.
Ein stetiges Wachsen und Entwickeln. Das ist auch die Übersetzung des Pali-Wortes bhavana für Meditation.
Letztlich, – so heißt es in den alten Lehren – geht es darum, 24 Stunden zu meditieren. Es heißt sinngemäß: „Wenn du aufstehst und arbeitest, wäschst, isst, bedenke, dass du nur deine Position veränderst.“ Das anfängliche Zurückziehen dient also zunächst der Übung, sich auf den jetzigen Moment auszurichten und wieder wahrnehmen zu lernen.
Den Schleier lüften – Innehalten statt suchen
Der tibetische Meditationslehrer Namkhai Norbu beschreibt den Prozess als „das Erkennen und die Stabilisierung der Erkenntnis der ursprünglich vollkommenen Natur des Geistes“. Das hört sich kompliziert an. Wesentlich ist jedoch die Aussage, dass es nicht darum geht, irgendetwas Fernliegendes hart erarbeiten zu müssen, sondern etwas, was bereits da ist, wieder wahrzunehmen und es von dem zu befreien, was es zurzeit verdeckt.
Schwert der Erkenntnis
Deshalb heißt es auch, dass Meditation den „Schleier hebt“, oder wie Dan Millman es in „Der Pfad des friedvollen Kriegers“ poetisch beschreibt: „Mit dem Schwert der Erkenntnis werden die Schleier der Illusion durchtrennt“, um zu unserer wahren Natur zu gelangen.Ich finde, das macht das Ganze entspannter: Es wird nachvollziehbar und logisch, dass wir nach innen gucken und lauschen, um innere Zufriedenheit und Stabilität zu finden, statt in der Welt herumzurennen und danach zu suchen.
Hinter dem Schleier – Loslassen statt anhaften
Was können wir entdecken? Beständiges und Vergängliches.
Dinge, Gedanken, Emotionen und Sinneserfahrungen sind vergänglich. Halten wir an ihnen fest, wollen sie kontrollieren und identifizieren uns mit ihnen, leiden wir. Indem wir ihr Kommen und Gehen in der Meditation betrachten, erkennen wir nicht nur ihre Vergänglichkeit, sondern auch, dass wir nicht unsere Gedanken und die daraus entstehenden Emotionen sind und befreien uns darüber von dem zwanghaften Wiederholen alter und Konstruieren immer neuer Geschichten. Die daraus gewonnene Kraft steht uns dann zur Verfügung, die tiefere Natur unseres Menschseins – das Beständige – zu erforschen und wahrzunehmen.
Dann sind wir immer unabhängiger von dem Bedürfnis nach äußerer Bestätigung, immer unbestechlicher und freier im Herzen und immer bewusster im Jetzt – da, wo zu jeder Zeit und ausschließlich sich alles Leben ereignet.
Meditieren geht überall ; )